Höllengeier über dem Quellenbuch Die zwei Türme

Das Quellenbuch Die zwei Türme (bzw. The Two Towers Sourcebook, wie es im Original heißt) folgt der gleichen Aufmachung wie sein Vorgänger, das Gefährten-Quellenbuch: ein Hardcover mit 128 Seiten in der bekannter Decipher-Qualität. Auf dem Cover sieht man diesmal einen der beiden besagten Türme, nämlich Orthanc, vor dem sich gerade scharenweise die Orks sammeln. Man kennt das Bild ja aus dem Film: Gerade noch stand Saruman auf dem Balkon und hielt seine Rede, dann zoomt die Kemare vom Balkon weg und enthüllt den Blick auf immer mehr Orks. Und noch mehr. Nur für einen Höllengeier auf dem Titelbild hat es diesmal nicht gereicht, was schon schade ist. Und so zehren wir halt weiter am Titelbild zum Kreaturenband. Viel mehr bleibt uns auch nicht übrig, wie wir noch sehen werden...

Der Klappentext erläutert uns wieder, was der aufmerksame Höllengeier hier finden kann:

Das Inhaltverzeichnis gibt sich wie immer knapp und aussagelos, was unserem Jüngsten diesmal nur noch ein mattes Flügelzucken entlockte (und dem Archivgeier auch, da er das Inhaltsverzeichnis des Gefährtenbands fast veränderungslos hier einkopieren konnte):

Introduction 4
Chapter One: Following the Journey 6
Chapter Two: People 20
Chapter Three: Places 80
Appendix 128

Statt mit schönen ganzseitige Landschaftsbilder aus der Höllengeierperspektive eröffnet der Band mit einer dreckigen Hobbithand mit Ring (keine Ahnung, was die alle an diesem blöden Ding finden...) sowie einem ganzseitigen Bild von Frodo, Sam und Gollum in den Totensümpfen; na, sei's drum. Immerhin ist schon auf Seite 19 ein Bild des Heimeligen Feurigen Bergs mit Höllengeiern auf Wehrübung darum herum - sehr schön! Apropos Bilder: Überraschend ist dann doch, dass auch deiser Band nicht nur umfassend mit Filmbildern illustriert ist, sondern diesmal auch mit Zeichnungen versehen ist - weniger zwar als noch im Kreaturenband, aber doch immerhin.

Following the Journey ist, wie zu erwarten war, wieder das kürzeste Kapitel. Es fasst zuerst ziemlich ausführlich auf diesmal neun Seiten die Handlung des zweiten Teils des Romans (Buch III und IV) zusammen (und Höllengeier werden kurz erwähnt, wenngleich die Formulierung "unterwegs in schändichem Auftrag" sicherlich ein klein wenig unfair ist, wie nicht nur der Rechtsgeier, sondern auch der Gewissensgeier meint), dies in den Bereich der Fabel zu verweisen); danach folgt eine mit drei Seiten doch deutlich kürzere Zusammenfassung des Films (bei der doch zu sehen ist, wie stark Peter Jackson an einigen Stellen gekürzt hat; noch schlimmer aber ist, dass die brillante Szene im Film, in der der Verwirrgeier - und ja, er war es, auch wenn Peter Jackson dies verschweigen wollte - dem kleinen, nichtsnutzigen Halbling beinahe den Ring abgenommen hätte, wenn ihm dieser unsägliche Faramir nicht diesen scmwerzhaften Pfeil in die Weichteile geschossen hätte, an dessen Folgeschäden der Ärmste bekanntlich heute noch leidet... äh, na ja, diese Szene ist auf ein simples "Da fliegt ein Nazgûl verbei, und Frodo will ihm den Ring geben, aber Sam verhindert das - kein Wort vom heldenhaften Einsatz unseres Bruders! Unglaublich!), die wieder auf die Änderungen und Auslassungen bei der Verfilmung hinweist (legendär ist: "Die Geschichte von Sarumans Fall ist hier, im Vergelich zum Buch, gekürzt."). Diesmal ist, im Gegensatz zum Gefährten-Band, sogar verständlich, dass die Anmerkungen zum Film die Special Extended Edition nicht einbeziehen, da es sie ja noch nicht gibt (der Rechtsgeier hat darauf bestanden, dies zu erwähnen, da Junior laut danach gefragt hatte).

Doch weiter. Wieder nimmt das Kapitel People den größten Teil des Bands ein. Eingeleitet durch einen der Wandteppiche aus Edoras (ein Filmbild, keine Zeichnung), gleicht seiner Entsprechung im Vorläuferband doch sehr. Es findet sich nahezu alles, was in Buch und/oder Film Rang und Namen hat, wenn nötig mit überarbeiteten Spieldaten (hat sich nichts geändert, das für die Handlung relevant ist, gibt es auch keinen neuen Eintrag): Aragorn, Baumbart, Frodo Beutlin, Flinkbaum, Meriadoc Brandybock, Damrod, Déagol, Éomer, Eorl der Junge, Éowyn, Erkenbrand, Faramir, Sam Gamdschie, Gandalf der Weiße, Gimli, Gollum, Haldir, Helm Hammerhand, Kankra, Legolas, Mablung, Saruman der Vielfarbige, Gríma Schlangenzunge, Sharku, Théoden, Peregrin Tuk und Uglúk (als Sonderservice des Archivgeiers erfolgt die Auflistung bereits alphabetisch nach den deutschen Namen; im Original steht Baumbart natürlich eher hinten, und Gríma schließt den Band ab).

Die Einträge sind immer gleich aufgebaut: Sie beginnen mit einem Zitat (auch hier gibt es wieder einige Zitate aus dem Film, der gerade rechtzeitig noch auf DVD herauskam, dass die Übersetzungen einfach ermittelt werden konnten), führen dann die Spieldaten auf und geben danach Hintergrundinformationen - unter Umständen zwei, nämlich immer dann, wenn sich der Charakter in Buch und Film unterscheidet. Letztlich fehlen auch Angaben zum Einbau der beschriebenen Figur ins Rollenspiel nicht, was gerade bei etwas mächtigeren Charakteren wie Aragorn (von 68 zu nun 70 Aufstiegen befördert) oder Gandalf (von 66 Aufstiegen rasant zu 90; damit ist er der Charakter mit den meisten Aufstiegen in diesem Band) nicht ganz unwichtig ist. Vielen der Charaktere sind zudem Kastentexte mit Informationen zu Gegenständen oder sonstigen Besitztümern zur Seite gestellt, z.B. Andúril bei der Beschreibung Aragorns oder Legolas' Elbenbogen aus Lórien. Manchmal kommt es dabei zu Nachdrucken aus dem Grundregelwerk, die teilweise (z.B. beim Einen Ring) recht umfangreich sind, aber das hält gerade unser Jüngster das für besser als dauerndes Hin- und Herblättern (unser Archivgeier sieht dies natürlich anders...). Es werden erfreulich viele Details berücksichtigt - sogar Erkenbrands Horn ist ausgearbeitet, und auch Spieldaten für Felaróf, das Ross von Éomer, fehlen nicht. Mittlerweile findet sich auch eine Erklärung dafür, warum einige der Charaktere höhere Spielwerte haben, als ihnen nach den Grundregeln zustünden (sie sind halt die wirklichen Überhelden).

Die Spieldaten sind, laut Einleitung dieses Kapitels, auf den Zeitpunkt des Endes des zweiten Buches/Filmes angelegt (bzw., im Falle der Charaktere aus der Vergangenheit, auf dem Höhepunkt ihres Könnens). Auch diesmal sieht man wieder, dass die Autoren mit manchen Charakteren nur wenig anfangen können, wenn z.B. Pippin und Merry trotz Orkgefangenschaft, Baumbart und Entthing jeder einen weiteren Aufstieg hinter sich haben (nun 2 statt, wie noch im Vorband, 1), Sam aber deren 3 (nun 5 gesamt), Frodo hingegen auch nur 2 (gesamt nun 8). Gimli und Legolas hingegen schlagen mit 29 bzw. 25 (vorher 27 bzw. 23) zu Buche. Das Konzept von "zwei Aufstiegen pro Teil" ist also fast durchgehend (gilt selbst für Aragorn), sofern man nicht gerade ein Hobbit ist. Saruman ist bei 41 Aufstiegen stehen geblieben, was wiederum ein sehr netter Zug ist, da er anzeigt, dass es durch seinen immer tieferen Verfall des Bösen keine wirklich neuen Erfahrungen mehr sammelt. Tja... das wäre dem Alpha nie passsiert. Und Faramir ist gar nicht so viel schlechter als Boromir, wie uns Denethor immer Glauben machen möchte. Dass Déagol und Haldir hier auftauchen, ist sicherlich eine Verbeugung vor dem Film...

Ansonsten aber machen sich die Spieldaten meist ganz gut. Ganz besonders ist wieder einmal die Mühe zu würdigen, die die Autoren Scott Bennie und Matt Forbeck sich bei den Hintergrundanmerkungen gegeben hat, insbesondere bei Charakteren, die in Buch und Film unterschiedlich dargestellt sind. Doch leider ist der Band nicht ohne Fehler - um genau zu sein, er begeht den schlimmsten Fehler von allen: keine Höllengeier. Anscheinend dachten sich die Autoren, dass sie die Höllengeier im Kreaturenband schon ausreichend abgedeckt hätten, aber das ist natürlich Unfug. Und, was fast genauso tragisch ist: Es gibt kein Bild von Éowyn im Buch. Kein einziges. Nicht bei ihrem Eintrag, nicht an irgendeinem anderen Ort des Buches. Nicht gut.

Fliegen wir weiter zu den Places, eingeleitet mit einer Großaufnahme der glitzernden Höhlen von Aglarond. Vorgestellt werden die folgenden Orte (dank Archivgeier auch schon wieder in deutscher Reihenfolge): Aglarond, Cirith Ungol, Edoras und Meduseld, die Emyn Muil, Fangorn, Helms Klamm, Isengart, Ithilien, Minas Morgul, Osgiliath, Rohan, das Schwarze Tor, die Totensümpfe und Zirakzigil (eigentlich Durins Turm).

Auch in diesem Kapitel ist ein Einträgen eine einheitliche Struktur gemein. Einem Zitat aus Roman ode Film folgt ein Überblick, danach die Darstellung von Einzelaspekten, wichtigen Bewohnern und Abenteuervorschlägen. Diesmal gibt es keinerlei Kurzspieldaten für wichtige Personen, aber bei den Abenteuervorschlägen (die selten länger als ein Absatz sind) finden sich erneut Angaben, ob die Autoren ein kurzes, mittellanges oder langes Abenteuer erwarten. Auch hier gibt es wieder Zusatzangaben in Kästen (so Spieldaten für Sumpfgeister im Abschnitt über die Totensümpfe oder neue Belagerungsgeräte im Eintrag zu Helms Klamm). Das Detailniveau ist wieder recht hoch und macht auch vor Sarumans Zuchtgruben sowie den Morgulblüten halt. Natürlich hat der Archivgeier auch wieder etwas zu bemängeln, nämlich eine kleine Ungenauigkeit bei den Horsten der Höllengeier. Das haben wir aber anderswo untergebracht.

Es gibt auch wieder Regions- und Detailkarten, aber leider nicht mehr in so guter Qualität wie im ersten Band; Rob Lee war entschieden besser als Rob Lazzaretti. Es gibt zu jeder Beschreibung eine Gebietskarte), die an den gegebenen Stellen durch Raumpläne ergänzt werden (so gibt es eine Karte von Ithilien und einen Detailplan von Henenth Annûn). Gegenüber den Karten von Rob Lee wirken die hiesigen indes grober und oft ziemlich aussagelos und detailarm, ganz so, als hätte 'mal schnell jemand unter zeitlichem Druck mit ein wenig mit Photoshop gespielt. Ganz besonders schlimm hat es den Edoras-Teil getroffen: Da stehen ein paar mit Photoshop weichzepinselte und dann mehrfach umherkopierte Häuserreihen am Berg, und als Kartenlegende gibt es immerhin "Haupttor", "Stallungen" und "Meduseld"; wenigstens die Karte der Großen Halle wurde gegenüber der in der zweiten Einsteigerbox noch einmal überrbeitet. Dann wiederum gibt es auf Seite 100 ein wunderschönes Filmbild des Orthanc (wohl eher das Modell als einen tatsächliche Filmaufnahme), das für vieles entschädigt.

Fazit: Neun von neun Höllengeiern würden dieses Produkt kaufen, da es nahezu alles abdeckt, was man braucht, um den zweiten Film bzw. das zweite Buch im Spiel umzusetzen bzw. Elemente einzubauen. Wer zur Zeit des Ringkriegs (oder kurz davor oder kurz danach) spielt, wird an diesem Band nicht vorbei kommen. Der Spielwert deutlich vor dem Ringkrieg ist diesmal indes ein wenig eingeschränkter als beim ersten Band, das es kaum Elben gibt und auch nur zwei geschichtliche Personen (Eorl und Helm). Der Gewissensgeier wollte sich zwar wegen der schlechteren Qualität der Karten erst enthalten ("die kann man den Leuten doch nicht empfehlen..."), doch hat der Alpha dieses Minderheitenvotum in altbekannter Art ignoriert ("Man sieht, was 'drauf ist, und wen interessiert schon ein Kaff wie Edoras, insbesondere wenn es noch einen Rohan-Quellenband geben wird?").

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